Zwischen den ganzen Rezepten, wollte ich eine kleine Geschichte mit euch teilen. Bitte habt Gnade, dies ist einer meiner ersten Versuche.
Langsam öffnete sie das Gartentor und ging auf das alte Haus zu. Ein kleiner Trampelpfad führte sie durch einen kleinen, aber hübschen Garten, direkt zur Haustür. Dort blieb sie zögerlich stehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Dann hob sie ihre Faust und klopfte leise an. Wartete ein paar Sekunden. Nichts passierte. Sie klopfte noch einmal lauter. Wieder nichts. Langsam öffnete sie nun die Tür, welche unter Stöhnen und Knarren langsam nachgab. Hinter der Tür kam ein langer Gang zum Vorschein. Er war dunkel, nur durch die geöffnete Tür fiel ein kleiner Lichtschein herein. Der Gang sah dreckig aus. Hier schien schon seit Jahren keiner mehr den Besen geschwungen zu haben. An der Decke krabbelte eine Spinne. Das Mädchen hatte jetzt Gänsehaut auf dem Rücken. Alles in ihr schrie auf, wollte weg von ihren alten Träumen. Doch sie blieb. Ging jetzt langsam den Gang entlang. Der Holzboden knarrte noch lauter als die Tür und ihre Füße hinterließen Abdrücke im Staub. Ungefähr auf der Hälfte des Ganges blieb sie stehen.
Links von ihr, stand eine kleine Kommode, wie sie jeder zu Hause in seinem Flur stehen hat. Darauf waren Bilderrahmen platziert. In der Mitte, auf dem größten Bild, wurde das Mädchen durch eine dicke Staubschicht von einer glücklichen Familie angelächelt. Der Vater hatte beschützend seinen Arm um die Mutter gelegt, und ein kleines Mädchen spielte neben ihnen mit einem Hund. Durch den Staub war es schwer, das Motiv des Fotos hinter der Glasscheibe zu erkennen. Doch das Mädchen kannte das Foto in und auswendig. Sie nahm den Bilderrahmen in die Hand und löste die Klammern, welche das Holzbrett auf der Rückseite festhielten. Dann löste sie es und nahm das alte Bild heraus. Die Farben waren schon verblasst. Ein ängstlicher Blick noch zur Tür, keiner war da. Schnell schob sie das Fotopapier unter ihre Jacke und drehte sich um.
Vor ihr war jetzt eine Treppe. Doch was hinter dieser Treppe war, wusste sie und sie wollte es nicht sehen. Ihr Ziel war ein Anderes. Das Mädchen ging weiter in den Gang entlang, bis sie schließlich am Ende war. Die Tür, durch welche sie gekommen war und damit der helfende Lichtstrahl, waren kaum noch zu erkennen. Aber man hätte dem Mädchen auch die Augen verbinden können, in diesem Haus kannte sie sich blind aus. Sie wusste, dass rechts von ihr eine Tür sein musste. Auch diese öffnete sich mit einem Knarren. Dahinter wurde der Blick auf eine alte Küche frei. Ein verstaubter Herd, mit Rost überzogene Küchengeräte und ein großer Esstisch. An dem Tisch standen drei Stühle, für die glückliche Familie von dem Foto, welches das Mädchen unter ihrer Jacke trug. Sie kuschelte sich tiefer in diese hinein. Ihre Beine fingen langsam an zu zittern. Zögernd sah sie noch einmal zurück, doch alles was sie sah, waren die Fußabdrücke, welche sie im Staub hinterlassen hatte. Sie schienen eine Geschichte zu erzählen. Ihre.
Eine Träne lief dem Mädchen über das Gesicht. Doch dafür war sie nicht hergekommen. Schnell ging sie weiter, durch die Küche, auf einen Balkon. Von hier aus hatte man den schönsten Ausblick auf den Garten. Früher hatten hier rote Rosen geblüht, alles war bunt gewesen, daran konnte sich das Mädchen noch erinnern. Seit Jahren aber, war der Garten vernachlässigt worden, alles war braun und grau geworden. Vor ihrem Auge, sah das Mädchen noch den alten Gärtner, der sich liebevoll um jede einzelne Pflanze gekümmert hatte. Er war wirklich alt gewesen und zog das linke Bein ein Stückchen nach. Das Mädchen hatte ihm oft im Garten geholfen, sie hatte ihn gemocht. Manchmal hat der alte Gärtner ihr eine Geschichte erzählt. Mit leuchtenden Augen, hatte sie zugehört und sich in fremde Welten geträumt. War ein Teil der Geschichte geworden.
Immer mehr Tränen liefen dem Mädchen jetzt über das Gesicht. Ihr war, als hätte sie die Leichtigkeit aus ihrer Kindheit verloren. Versuchte sich mit aller Macht an unbeschwerte Kindertage zu klammern. Aber das Leben sah jetzt anders aus. Es war dunkel geworden. Fast, als hätte sich ein schwarzer Schatten über ihre Seele gelegt, von welchem sie nicht loskommt. Das Mädchen war in das alte Elternhaus zurückgekommen, weil es Ruhe brauchte. Sie wollte die alte Ordnung wieder in ihrem Leben zurück haben. Stattdessen, schien jetzt alles nur noch mehr im Chaos zu versinken. Mittlerweile hatte sie nicht einmal mehr Tränen übrig. Sie war ausgetrocknet und leer.
Schwermütig ging sie die Treppe vom Balkon herunter, bis sie auf der Wiese, mitten im Garten stand. Langsam setzte sie sich hin, ließ sich schon fast auf den Boden fallen. Doch die grünen Halme fingen sie behutsam auf. Das Mädchen zog die Beine an sich heran und legte den Kopf auf die Knie. Zum ersten Mal seit Monaten hatte sie den Kopf wieder leer. Ihre Probleme schienen weit weg und sie wurde ruhiger. Hob den Kopf. Und sah, dass die Wiese grün blühte.
Im Gegensatz zum Rest des Gartens, war sie am Leben geblieben. Vorsichtig riss sie ein Gänseblümchen aus und musste lachen. Dann stockte sie. Und sah sich wieder ängstlich um. Dieses Geräusch, war schon lange nicht mehr aus ihrem Hals gekommen. Jetzt kroch es wieder hervor. Laut lachend, saß das Mädchen jetzt auf der Wiese und ließ sich fallen. Genoss das Leben, wie sie es seit Jahren nicht mehr getan hatte. Das Mädchen war hergekommen, weil sie Ruhe brauchte und die alte Ordnung wieder in ihrem Leben zurück haben wollte. Aber das stimmt nicht. Sie war hergekommen um sich selbst wiederzufinden. Das Glück der alten Tage wieder in sich hinein zu lassen und gemeinsam mit ihren alten Träumen dort einzusperren. Es nie wieder heraus lassen und durch ihr gesamtes Leben tragen. Und jetzt saß sie lachend auf der Wiese und wusste, dass sie es geschafft hatte.
Katja
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