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[Projekt Nostalgie] Buddeln wie Indiana Jane

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Schon einmal durfte ich hier mit euch meine Erinnerungen teilen und euch von den aufregenden Arbeiten eines Archäologen berichten [Zu meinen Survey geht es hier entlang]. Heute geht mein Projekt in die zweite Runde und ich hoffe es gefällt euch.
 

Das Studium der klassischen Archäologie ist prinzipiell sehr spannend, taucht man doch ein in längst vergangene Kulturen und versucht anhand ihrer materiellen Hinterlassenschaften ihr Leben und Werken zu rekonstruieren. Bisweilen kann das Fach aber etwas trocken daherkommen, verbringt man die meiste Zeit mit der Nase in zahlreichen alten Büchern. Statt immer nur Grabungspublikationen zu wälzen, wollte ich so endlich einmal selbst den Spaten schwingen, nachdem ich im Vorjahr bereits an einem Survey teilgenommen hatte. Ich wollte mir ein Bild davon machen, wie es auf einer archäologischen Ausgrabung zuging und die Inventarisierung und Verwaltung, sowie Restaurierung von Funden ablief. Entsprechend bewarb ich mich für die vorlesungsfreie Zeit des Sommersemesters 2011 um ein Praktikum am niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege, zu welchem im Nu eine Zusage erhielt.

 

Ausgrabung Giften

Der erste Abschnitt des Praktikums war der archäologischen Grabungstechnik gewidmet. Dabei sollte ein erster Einblick in die Technik zur wissenschaftlichen Erarbeitung von (Be-)Funden gewährleistet werden. Der Unterschied zwischen Befunden und Funden besteht darin, das erstere meist im unbeweglich am Fundort stehen wie etwa ein Tempel, ein Bodenprofil. Befunden zeigen quasi eher den Fundkontext, während es sich bei Funden um Kleinode wie Münzen oder Schmuck, aber auch Statuen oder Säulen handeln kann, die im jeweiligen Fundkontext erhalten sind. Schritt für Schritt konnte ich in meinem Praktikum die notwendigen Grundlagen erlernen, die zum Grundstein einer archäologischen Ausbildung zählen.

Schauplatz meiner ersten Grabung war die Fundstelle Giften in der Nähe von Sarstedt. Bei einer Feldbegehung nahe des Kieswerkes Holcim hatte ein Grabungstechniker bereits im April 2010 einen Acker mit auffällig hoher Fundkonzentration entdeckt. Daraufhin folgten ganzjährig systematische Begehungen mit dem Metalldetektor. In der obersten Schicht des Ackers, der sog. Pflugschicht, konnten so große Mengen von Fibelfragmenten (Abb. 1), Münzen u. ä. geborgen werden. Im Anschluss wurden zusätzlich konventionelle Prospektionen durchgeführt. Dabei konnten andere Fundgruppen wie Keramik-, Flinth- oder Knochenobjekte sicher gestellt werden. Im Laufe des Jahres stellte sich heraus, dass eine Verlegung des Kieswerkes geplant war und die Fundstelle von diesen Baumaßnahmen betroffen sein würde. So wurden Grabungstechniker und Zeichner hinzugezogen, um ab März 2011 mit der Freilegung der Fundstelle zu beginnen.

Grabung

Meine erster Befund war ein nicht näher definierbarer Graben in südwestlicher Ausrichtung, welcher von der Grabungskante geschnitten wurde. Zur systematischen Freilegung teilten wir die längliche Struktur in Quadranten ein. Normalerweise erfolgt diese Methode in einem schachbrettartigen Muster, um möglichst viele Profile dokumentieren zu können. In diesem Fall erwies sich die Bodenverfärbung auf dem Planum jedoch als zu schmal. Da die Bearbeitung des Befundes einige Tage in Anspruch nehmen würde, wurden zur Einteilung nicht nur Linien in den Boden des Planums geritzt, sondern Schnüre gespannt. Die einzelnen Abschnitte wurden mit GNSS eingemessen und Buchstaben zugeordnet, sodass eine eindeutige Ansprache möglich war. Nach wiederholter Befeuchtung des Bodens, um die Parameter des Befundes im ausgetrockneten Boden des Planums erkennen zu können, begann ich mit der Freilegung. Mit Hilfe einer Kelle wurden die Profile vorläufig  mit Abstand zur eigentlichen Profilkante abgestochen, um zu verhindern, dass bei gröberen Arbeiten Bruchstücke herausbrachen. Ziel war es möglichst saubere, gerade und glatte Querschnitte durch den Befund zu herauszuarbeiten, an denen die Ausdehnungen des Befundes im Boden deutlich ablesbar waren. Nach Ausschachtung des Schnittes wurden die Profilkanten für die Dokumentation vorbereitet, d. h. geglättet und abgefegt. 

Seht ihr die dunkle keilförmige Verfärbung im Boden? Das ist unser Befund :)

Dokumentation

Nachdem ich die Befunde vorsichtig mit Hilfe von Kellen und Pinseln freigelegt habe, konnte ich mit der Dokumentation beginnen. Dazu gehörten Fotos, Zeichnungen und Beschreibungen jedes Profils mit Befund, um einen Gesamtüberblick über die Maße zu erhalten und sie zu einem späteren Zeitpunkt wissenschaftlich auswerten zu können.

Bei der fotographischen Dokumentation wurde zunächst die Umgebung des Objektes gereinigt und angefeuchtet, sodass die gewünschte Profilkante deutlich erkennbar war. Im Anschluss wurden an die Profilkanten Zollstöcke angelegt, sodass auch auf den Fotos die ungefähren Abmessungen ablesbar waren. Dabei musste beachtet werden, dass die Messwerkzeuge den Befund an keiner Stelle verdeckten. Darüber hinaus wurde eine Tafel angelegt, die Auskunft über die wichtigsten Daten wie Befundnr., Profilkennzeichen, Datum, FStNr. usw. lieferte, sowie die Himmelsrichtung mit Hilfe eines Kompasses bestimmt und ebenfalls auf dem Foto durch einen Pfeil in entsprechender Richtung markiert. Um eine möglichst hohe Haltbarkeit der Befundaufnahme zu gewährleisten, wurden verschiedene Medien zur Dokumentation eingesetzt. So wurden die Profile sowohl mit einer digitalen, als auch einer analogen Kamera aufgenommen. Neben der Haltbarkeit, spielt dabei auch die Farbwiedergabe eine wichtige Rolle, die auf der analogen Kamera viel getreuer wiedergegeben wird, als auf einem digitalen Bild. Bei der Aufnahme selbst musste beachtet werden, dass der gesamte Bereich des Profils beschattet wurde, keine anderen Gegenstände mit abgelichtet wurden und ein möglichst flacher Winkel gewählt wurde, sodass keine unnötigen Verzerrungen entstanden.

Zuletzt noch ein paar Eindrücke von mir für euch von meiner ersten Grabung. Unten seht ihr die Freilegung einer Abfallgrube, in der so einiges von Keramik, über Metallfragmente bishin zu Knochenresten und Zähnen zu Tage kam. Besonders die tierischen Überreste fand ich spannend und habe stundenlang mit einer Zahnbürste daran rumgeschrubbt, um sie sauber zu kriegen. Klingt etwas freaky, ist aber echt cool.

Am Ende des Tages war ich immer ganz schön K.O. und habe meist im Zug eine Runde geschlafen, bis ich mich zuhause in die Dusche schleppen konnte.

Ich hoffe mein Bericht hat euch gefallen. Ich erinnere mich zumindest sehr gerne daran zurück, auch wenn mir am Ende jeder Knochen im Leib weh getan hat, war es das hundertprozentig wert. Den zweiten Teil meines Praktikums verbrachte ich dann im Innendienst, wo ich Inventarisieren, Zeichnen und vieles mehr lernen durfte. Ein zweiter Bericht darüber wird noch folgen. Schaut doch mal vorbei auf meinem Blog. Ich würde mich freuen.

Alles Liebe

Euer 


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